Glatz-Familiengeschichtliche Forschung e.V.

Schriften des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der

Baar und angrenzenden Landesteile in Donaueschingen

 IV. Heft 1882.


                                                              Dr. Karl Jordan Glatz   
                                                                     Rektrolog

                        Am 5. September 1880 wurde seinen Freunden und der Wissenschaft
                        ein Mann durch den Tod entrissen, dessen Hinscheiden in weiteren Kreisen
                        schmerzlich übberrascht hat, Dr. Karl Jordan Glatz. Da unser Verein an
                        Glatz nicht bis einen tätigen Mitarbeiter, sondern viele der Mitglieder
                        auch einen lieben Freund an ihm verloren haben, hält es für eine Pflicht,
                        das Andenken an ihn, wenn auch nur wenige Worte aus der Feder eines
                        seiner ältesten Freunde, in seinen "Schriften" zu erhalten.

                        Karl. J. Glatz wurde am 28. Januar 1827 als Sohn des Uhrmachers 
                        Cajetan Glatz in der alten Reichsstadt Rottweil a/R. geboren.
                        Nachdem er das Gymnasium seiner Vaterstadt absolvirt hatte, begann er
                        im Herbste 1847 an der Universität Tübingen die theologischen Studien,
                        nach deren Abschluss er in das Seminar zu Rottenburg aufgenommen
                        und im Jahre 1852 zum Prister geweiht wurde. Die erste Verwendung 
                        seinem Berufe fand er als Vikar in der Stadt Obersdorf a/N., von wo
                        er in Folge Pristermangels in der Diöcese Freiburg durch seinen Bischof
                        auf mehrere Jahre nach Hohenzollern , zunächst als Vikar nach Hechingen
                        zur Aushilfe abgegeben wurde. Im Jahre 1861 kam er durch Ernennung
                        zum Kaplan in Frittlingen O.A. Spaichingen, wieder in seine Diöcese zurück.
                        In Frittlingern traf ihn der Scherz, seine Mutter zu verlieren, die ihm mit
                        treuer Liebe und Sorgfallt das Hauswesen geführt hatte. Das Grab seiner
                        Mutter, wie das des Vaters, der schon längere Jahre zuvor in Rottweil
                        gestorben war, hat der guteSohn kindlich treu in Ehren gehalten.
                        Im Jahre 1867 erhielt er die Pfarrei Neufra, O.A Rottweil, nachdem er
                        dieselbe schon von Frittlingen aus provisorisch verwaltet hatte. Waren
                        die Verhältnisse in dieser kleinen Gemeinde auch bescheiden, so verlebte
                        er doch elf glückliche Jahre in ihr, bis ihm im Jahre 1878 die größere und
                        einträglichere Pfarrei Wiblingen bei Ulm übertragen wurde.
                        Hier glaubte er am Ziele seiner Wünsche angelangt zu sein; da stellte sich
                        im Sommer 1880, wohl in Folge Erkältung in der großen kalten Kirche,
                        ein heftiger Scherz im Halse ein, welchere sich trotz ärztlicher , Gegenwehr
                        und des Gebrauchs warmer Bäder in Baden - Baden so verschlimmerte,
                        daß er nach mehrwöchigem Krankenlager dem Leider erlag. Kaum zwei
                        Jahrte vorher hatte er den heimatlichen Schwarzwald mit den Ufern der
                        Donau vertauscht, da nahm der Boden dieser Heimat seine irdische Hülle
                        immer an sich. Zahlreiche Freunde und Kollegen des Verstorbenen und
                        Vertreter des Offizierkorps hatten sich eingefunden, um ihm mit der Gemeinde
                        am Vormittage des 7. September die letzte Ehre zu erweisen. Ein würdiger
                        Diener seiner KIrche, voll heiligen Eifers für sein Amt und der Sorge für
                        das geistige und leibliche Wohl seiner Gemeinde, konnte er in seiner 
                        Menschenfreudlichkeit und Offenherzigkeit keine Schranken der Confession
                        und der Landsmannschaft. Fest in seiner Überzeugung, aber friedlich und milde
                        in seinem Urteil, kam er Allen, welche seine Hilfe oder einen Rath begehrten
                        oder in gefeligem Kreise mit ihm verkehrten, freundlich entgegen.
                        Unter den benachbarten Amtsgenossen der anderen Confession zählte
                        er mehrer Freunde, die ihm aufrichtig zugetan waren und bei ihm jede 
                        Unterstützung in Ausübung allgemein christlicher Pflichten fanden.
                        Aber noch eine andere Seite im Leben und Wirken des Verstorbenen
                        verdient hier ganz besonders hervorgehoben zu werden.
                        Mit der Ausübung des geistlichen Berufes war seine Tätigkeit keineswegs
                        abgheschlossen, sein Arbeitsdrang hatte ihn auf dasFeld der Geschichts -
                        vorschung geführt, dessen Pflege er jede ihm vom Amt übrig gelassene
                        Stunde widmete. Schon bei seinem Aufendhalte in Frittlingen und noch
                        mehr im Pfarrorte Neufra bot die benachbarte Vaterstadt Rottweil dem
                        einsamen Landpfarrer neben erfrischender Erholung in geselligem
                        Freundeskreise mannigfache geistige Anregung. Eine ganz besondere
                        Anziehungskraft gewann für ihn das städtische Archiv, mit dessen Inhalt
                        er sich bald vollständig vertraut gemacht hatte. War auf den Verstorbenen
                        schon am Gymnasium durch seinen Lehrer Ruckgaber, den Geschichts -
                        Schreiber seiner Vaterstadt, eine Vorliebe für geschichtliche St
udien
                        übergegangen, welche auf der Universität durch seine berühmten Lehrer
                        der Kirchengeschichte , den jetzigen Bischof Hefele, nur verstärkt werden
                        konnte, so lag hahe, daß diese Neigung beim Einblick in das reiche, im
                        städtischen Archive aufgespeicherte Material Leben und Gestallt zu
                        bekommen suchte, Hierzu kanm die Nähe Donaueschingen`s, von wo
                        aus er nicht blos die nöthigen literarischen Hilfsmittel, sondern auch
                        freundlichen Rath und Aufmunterung erhielt. So gelang es, daß er schon
                        im Jahre 1866,  dem letzten seines Kaplanlebens in Frittingen, eine Frucht
                        seiner historischen Studien veröffentlichen konnte. Es war eine Arbeit über
                        Johann von Dürbheim, Bischof von Straßburg, welche er im "Katholischen
                        Kirchenblatte für dei Diöcese Rottenburg" zum Abdruck brachte.
                        Nachdem er die Pfartrei Neufra übernommen hatte, zog  zunächst
                        die von seinem Amtsvorgänger geführte Pfarrkronik seine Aufmerksamkeit
                        auf sich. In der richtigen Erkenntniß, das mit Umsicht und Fleiß geführte
                        Pfarrchroniken für die Ort - und Landesgeschichte von dem erheblichen 
                        Nutzen werden können, wohl auch um den einen oder anderen seiner
                        Kollegen durch einen Wegweiser zu Aufzeichnungen über das Leben
                        und die Vorkommnisse in seiner Gemeinde aufzumuntern, faßte er
                        seine Gedanken hierüber in einem Aufsatz zusammen, welcher unter
                        dem Titel: " Inhalt und Nutzen der Pfarrchroniken" im "Freiburger 
                        Katholischen Kirchenblatt" 1869 erschien. Im gleichen  Jahre veröffent -
                        lichte er im "Freiburger Diöcesan - Archiv" eine Studie über Johann V.;
                        den Bischof von Constanz, und zwei Jahre darauf in der selben Zeitschrift
                        eine Arbeit "über das ehemalige Reichsstift Rotenmünster in Schwaben".
                        von da ab sind die Veröffentlichungen des unermüdlich täthigen, alle
                        benachbarten Archive und Registraturen durchforschenden Gelehrten theils
                        in Regestenform gebrachte Urkundenmaterial, theils auf Grund von Urkunden 
                        und Chroniken ausgewählter Monographien, theils auch ehemaliger Abdrücke
                        von Chroniken und ähnlicher historischen Berichten. wir unterlassen, dieselben 
                        hier näher auszuführen und verweisen auf das am Schlusse angefügte Verzeichniß
                        seiner Arbeiten; erwähnt seienhuer nur seine umfangsreichste Veröffentlichung,
                        die "Geschichte des Klosters Alpirsbach" , welche im Jahre 1877 bei Tübner
                        in Straßburg erschien, sowie die erst nach seinem Tode durch den Stuttgarter
                        litterarischen Verein grdruckte "Villinger Chronik",deren Fertigstellung und Correctur
                        durch Freundeshand besorgt worden ist. Rechnen wir hierzu, daß der Verstorbene
                        für vier vom kgl. statistisch-topogaphischen Bureau in Stuttgart herausgegebene
                        Oberamtsbeschreibungen, 1875 für das O.A. Rottweil, 1876 für Spaichungen,
                        1879 für Tuttlingen und 1880 für Balingen dankenswerte Beiträge geliefert; daß
                        er durch zahlreiche Vorträge in den historischen Vereinen zu Rottweil, SIgmaringen
                        und zuletzt in Ulm an deren Bestrebungen lebhaften Anteil genommen; daß er als
                        Comite`mitglied des Freiburger Diöcefan-Archivs und als Mitglied des Redactions-
                        Ausschusses der "Württembergischen Vierteljahreshefte für Landesgeschichte"
                        die eifrigste Thätigkeit an den Tag gelegt hat, und bedenkt man; daß er dies Alles
                        neben seiner Berufspflicht als Seelsorger und Priester ermöglichte, so darf man
                        wohl sagen, daß der Heimgegangene die kurze Spanne Zeit, die ihm hier zugemessen
                        war, redlich benützt hat. Und wie viel hätte der in voller Manneskraft stehende
                        Gelehrte bei seiner Arbeitslust und Geistesfrische noch leisten können, wenn ihm
                        nicht die tückische Krankheit ein so frühes Ziel gesetzt hätte? Aber auch das, was er
                        als Priester und Gelehrter in der kurzen Frist geleistet hat, ist, wie der Redner an
                        seinem Grabe, Herr Decan Schweizer aus Orsenhausen, rühmend hervorhob,
                        wohl geeignet, ihm in den Herzen seiner Pfarrkinder  ein dauerndes, dankbares
                        Andenken , und in der Geschichtsforschung seiner schwäbischen Heimat  bleibend
                        zu sichern. Hat es ihm doch schon im Leben nicht an vielfacher Anerkennung gefehlt:
                        er fühglte sich glücklich bei der dankbaren Verehrung seiner Pfarrbefohlenen,
                        innerlich gehoben durch die wohlwollende Aufmusterung seines Bischofs, und reichlich
                        geehrt durch Verleihung von goldenen Mesaikken, mit welchen ihn sein König und
                        der Fürst zu Hohenzollern für seine Verdienste um die Wissenschaft ausgezeichnet
                        haben. Der treue, offene, stets hilfs - und dienstbereite Freund, der bescheidene,
                        ächt deutsche Gelehrte, der Priester in des Wortes schönster Bedeutrung -- er ruhe
                        im Frieden!