Glatz-Familiengeschichtliche Forschung e.V.

Von Prof. Hugo Klein

Einer der bodenständigsten, Stadt- und Landbekannten Persönlichkeiten in der zweiten Hälfte des verflossenen Jahrhunderts ist wohl der Stadtarzt und große Armenvater Dr. Josef Glatz gewesen, dessen Name, derbe Witze und gute Werke in der Erinnerung aller Innsbrucker heute noch ungeschwächt fortleben.

Josef war am 20. Dezember 1825 zu St. Nikolaus als das erste der sechs Kinder des bürgerlichen Bäckermeisters Josef und der Anna Glatz geboren Von seinen übrigen Geschwistern wurde Anton Handlungs-  Kommissar in Innsbruck, Alois Uhrmacher in Baden bei Wien, Hugo praktischer Arzt in Pöchlarn, Johanna bamherzige Broseßschwester in Schwarz und Theres Sattlermeisters Gattin in Böchlarn, die alle verhältnismäßig Jung starben. Den ersten Unterricht genoss Glatz in der Volksschule St. Nikolaus, die eine Zeitlang sogar im rückwärtigen Stadtgebäude seines Vaters dem sogenannten „Zuchthausbäcker“ (von dem Gegenüberliegenden Zuchthaus oder heutigem Turnvereinshaus), untergebracht war. Nähere Daten über Josefs Schulbesuch konnten nicht ermittelt werden, da in jener Zeit noch keine Zeugnisse ausgestellt, sondern lediglich, an die braven Schüler am Ende des Schuljahres Prämien ausgeteilt wurden. Von der Volksschule kam Glatz an das Innsbrucker Gymnasium., wo er in der Zeit von 1836 bis 1842 die damals üblichen vier Grammatikat- und zwei Humanitätsklassen mit stets ausgezeichneten Erfolge absolvierte. 

Hierauf kam er nach Wien, wo er unter dem berühmten Professoren der alten Wiener Schule, Stade, Dimmreicher, Rokitansky, Syrtl, Medizin studierte. Diese Zeit war wohl die schwierigste und an entbehrungsreichste, so das er
„oft vor Hunger die Sterne sah“, wie er sich  später selbst ausdrückte. Aus seiner Hochschulzeit ist wenig bekannt, wie dem überhaupt keinerlei Aufzeichnungen über das Leben dieses höchst merkwürdigen Menschen hinterlassen wurden.
Nach Vollendung seiner Studien würdigte Glatz eigentlich seine ganze Lebenstätigkeit durch vier Jahrzehnte als Arzt dem Wohle seiner Mitmenschen und ließ sich erst einige Jahre vor seinem Tode pensionieren, als ihn seine eigene Gesundheit schon arg hergenommen war .Besonders die Armen haben ihn überaus geliebt und verehrt; den ganzen Tag, ja selbst die Nacht war er trotz seiner Plattfüße, die ihm große Beschwerden verursachten, auf dem Wege zu den Kranken. Dabei entwickelte er eine Arbeitsfreudigkeit, Unermüdlichkeit, die bis zur Selbstlosigkeit ging. Insbesondere war es die arme Bevölkerung von St. Nikolaus, der seine ganze Sorgfalt und Aufmerksamkeit schenkte;

Dort gab es wohl keine noch so ärmliche Wohnung, in welcher der ausgezeichnete Arzt nicht seines Amtes waltete, und keine noch so gefährlich Stiege , welche der edle Menschenfreund nicht mit derben Kraftbrüchen erklommen hat.
Wenn es dann zu Zahlen kam und die armen Leute, das magere Gelbeutelchen in der Hand, ängstlich um ihre Schuldigkeit fragten, dann verlangte er höchstens seinen Armenminimaltarif von 10 Kreuzern oder meistens fragte er frischweg:
„  Was wirst du zahlen? Hast ja selber nichts!“ Ja manchmal zahlte selbst noch einige Sechser drein für Verpflegung und Arznei. Kranken, die nach seiner Diagnose oft an „Hungertyphas“ litten, schrieb er nicht falten einen Zettel, schickte
sie hiermit zu seinem Taufpaten, dem Sternwirt „Hunger“ und die stets hilfsbereite gute Wirtin folgte den Armen auch und servierte gerne die auf dem Papier verordnete Schüssel kräftiger Fleischsuppe um einige gutgemeinte

                                           „Vergelt`s Gott“ aus.

Als Arzt genoss Glatz weit und breit einen guten Ruf und war namentlich ein Meister in der Diagnose, der seinesgleichen suche. Mehr als 20 Jahre hat er auch die Stelle eines städtischen Physikus bekleidet und war mehrere
Jahre Mitglied des Innsbrucker Gemeinderats und war zwar in der Polizei und Sanitätssektion. Die vielen tausend Gänge und ärztlichen Visiten, die er unentgeltlich machte, lassen sich weder zählen noch schätzen; überall
schickte man nach dem derben aber auch guten billigen Doktor und jeder beim „Bierwastl“ , wo er des Öfteren abends Gesellschaft seinen „Grauen“ aß, ließ man ihm keine Ruhe. Er äußerte sich selbst einmal eines Abends mit
heiterer Miene: „ Heute bin ich wieder mit dem galitätischen Fischer zu vergleichen; ich habe den ganzen Tag gearbeitet und nichts gefangen. Aber nicht nur ein tüchtiger, erfahrener Arzt war Dr. Glatz sondern auch ein offener, gerader, Charakter, ein Original durch und durch, weshalb von ihm heute noch die saftigsten Kernsprüche erzählt werden; denn er
liebte es , seiner Ansicht in der ungeniertesten Weise drastischen Ausdruck zu verleihen. Dabei schenke er niemanden, am allerwenigsten die Professoren der medizinischen Fakultät und gerade diese Aufrichtigkeit trug viel dazu bei,
ihn allerorts zu einer volkstümlichen und beliebten Persönlichkeit zu machen.

Als Glatz nach einer 40jährigen aufopferungsvollen Dienstzeit sich pensionieren ließ und der damalige Bürgermeister sein Gesuch ohne weitere Ehrung , die der Arzt gewiss verdient hatte, in einem kanzleimäßigen Dankschreiben zur
Kenntnis nahm, sagte Glatz tiefgekrängt zum Lindner Poldi, dem Sohn seines Hausherrn: “Sehen Sie, Tag und Nacht bin ich gelaufen, vieles habe ich geopfert, mein Vermögen, meine Gesundheit und jetzt kommt dieser kalte Wisch, mehr hätte ich doch verdient“, dabei brach er in Tränen aus. Von da an zog sich der gekränkte Wohltäter gänzlich zurück und fing auch bald an zu kränkeln. Er begab sich nach Grits bei Bozen zur Kur, kehrte aber bald wieder in seine geliebte Vaterstadt zurück,

wo er sich das Herzleiden verschlimmerte, bis der edle Armenarzt  endblich am 28. Mai 1890 um halb 11 Uhr vormittags nach Empfang der Sterbesakramente infolge Herzlähmung  im 65. Lebensjahre seinen Geist aufgab, Freitag um 4 Uhr
nachmittags wurde vom Trauerhaus in der Maria Theresienstraße Nr 18 aus die Leiche über die Innbrücke nach Maria-Hilf in fast endlosem Zug überführt. Das Leichenbegängnis war, der Popularität dieses Mannes entsprechend,
auch durch großartige Teilnahme aller Bevölkerungsschichte ausgezeichnet. Schon lange vor 4 Uhr hatte sich die Umgebung des Friedhofes eine große  Menschenmenge versammelt, die dem Leichenwagen folgte. Den Zug eröffneten
die Schuljugend und die Waisenkinder von St. Nikolaus, dem Sarge folgten nach den Leidtragenden die Berufsgenossen des Toten, der Gemeinderat die Pfarrgeistlichkeit und viele junge Knaben schöne Kränze, bis die Stadt Innsbruck
und St. Nikolaus dem Verblichenen gewidmet hatten. Der Zug der Frauen schien nicht enden zu wollen. Der Verstorbene wollte in Maria--Hilf begraben werden, weil er dort aufgewachsen war.
Am Friedhof wurde der Leichnam in der nördlich Arkade  beigesetzt. Und heute erinnert an den Wohltäter der Stadt eine große Marmortafel worauf schlichte Worte eingemeißelt stehen.

Glatz - Witze von Dr. Josef Glatz, Innsbruck

In der Riesengasse wohnte ein ältliches Schwesternpaar mit einem Hündchen.Einst wurde Glatz zu einer dieser beiden Jungfrauen gerufen, da sie sehr stark an Asthma litt. Der Arzt erklomm die steilen Stiegen bis zum 4. Stock, trat in die Stube,
und weil dort eine erstickende Luft vorfand, riss er das Fenster auf und sagte: „Koa Wunder, dass in der verpestenden Luft zusamm` mit dem Hundevieh nöt schnaufen könnt`s“. Dabei ergriff er das Hündchen und warf es zum Fenster hinaus.

Eines Tages passierte Glatz im „Deutschen Kaffeehaus“ in Gesellschaft etwas „Menschliches“. Die am Tisch Sitzenden schauten sich gegenseitig betroffen an und einer meinte: „ Das ist aber doch zu viel, Herr Doktor“! „Nachher toal`s `n
enk  halt, wenn`s zu viel ist“, war die schlagartige Antwort des nie vergessenen Stadtphysikus.

Eine alte Frau kam einst mit einer unheilbaren Krankheit zu Glatz und dieser sagte: „Weibele, es nutzt nix mehr“. Die Frau gab die Hoffnung nicht auf, ging ins Spital am Marktgraben, wo sie operiert wurde und starb. Als Glatz den Totenschein in der Eigenschaft als Physikus zu unterfertigen bekam, trug er als Todesursache „Spitalschwindel“ ein, weshalb er auch angezeigt und bestraft wurde.

Dr. Josef Glatz ist kinderlos gestorben. Er scherzte darüber:“ Es is koa Schand, das dö Glatz Familie ausstirbt“.
All die Liebe und Führsorge für die Armen wurde nach seinem Tode erst recht kund.
In seinem Testament machte er eine Stiftung von 25000 Gulden mit der Bestimmung, dass die Zinsen an Arme und Kranke verteilt werden sollen, in dem er so die Bewohner seines „Vergelt`s - Gott - Viertels“ zu Universalerben einsetzte.

Die Gemeinde - Väter der Stadt Innsbruck und der Bischoff von Brixen erhielten je
eine Schachtel, in denen die vielen „Vergelt`s Gott“ die er von Ihnen bekam, an sie
zurückgegeben wurden