Glatz-Familiengeschichtliche Forschung e.V.


Es war ein weiter und bemerkenswerter Umweg, bis wir den Minnersänger, der unseren Namen trug, aufstöbern
konnten. Vor Jahren war die Firma "Triumph International" mit folgenden Versen das Minnesänger Glatz
für ihre Artikel:


"Der Hals so weiß und rein,
dass man den roten Wein
Sah rinnen durch des Busens Elfenbein
der aus zwei Wonnehügeln
gebildet war; die kaum ein Band möcht zügeln."

Über die "Textilwirtschaft" in Frankfurt, die Urheber dieser Miederwerbung war, konnte in Erfahrung
gebracht werden; dass diese Verse einem Buch von Hans Krammer "Das entblößte Frauenzimmer-
die Geschichte des Dekoltes" entnommen waren. Es wird dort berichtet; dass der "freche Dietrich von
Glatz" in der Zeit, da die "hoheMinne" in einer recht sinnlichen Frauenverehrung von der "niederen Minne"
abgelößt wurde, seine Angebetete mit diesen Versen besang.
Wer nun der Minnesänger Dietrich von Glatz, der vor über 700 Jahren gelebt hat und so von sich reden
machte, dass inzwischen merhrere Dissertationen über sein Minnelied, dem obigen Verse entnommen sind,
geschrieben wurden ?

Das einzige Minnelied, das von Dietrich von Glatz bekannt ist, heißt " der borte", was im Neuhochdeutschen
"der Gürtel" bedeutet. Die Entstehung des Gedichtes fällt mit Sicherheit in die zweite Hälfte des
13. Jahrhunderts und zwar vermutlich zwischen 1270 und 1290. Es ist uns überliefert als Handschriften:

  1. Eine Heidelberger Pergamenthandschrift aus dem 14. Jahrhundert,
  2. Eine Handschrift der erzbischöflichen Biliothek zu Kalosca-Ungern aus dem 14. Jahrhundert von der eine Seite hier abgedruckt ist
  3. Eine ebenfalls in Heidelberg befindliche Papierhandschrift aus dem 15. Jahrhundert, die mit der Jahreszahl 1467 überschrieben ist und als deren Schreiben sich am Schluss Konrad von Öttingen nennt.

Das Gedicht umfasst 888 Verse. In der zuletzt genannten Papierhandschrift fehlen die ersten
zehn und die letzten 61 Verse, die wahrscheinlich nicht von Dietrich stammen, sondern von
einem gewissen Puzzinger, der in dem Lied auch erwähnt wird, hinzugedichtet wurden.



DIETRICH VON GLAZ: DER GÜRTEL

übertragen aus dem Mittelhochdeutschen von Richerd Zimmermann

1.
Ein Ritter wohnte einst im Schwabenland
der Konrad hieß und wohlbekannt
in ritterlichen Frauendiensten war.
Dem blühte ein gar schönes Weib:
Aus Sonnenstrahlen war ihr schönes Haar
und stolz und üppig ihr vielsüßer Leib,
den er nicht genug konnte kosen
in minniglichem Zeitvertreib.
Ihr Wangenpaar
war wie ein Strauß von Lilien und Rosen,
ihr Auge wie der Himmel klar;
das Kinn war wie ein Äpflein rund,
voll süßigkeit ihr roter Mund.
Der Hals so weiß und rein,
das man den roten Wein
sah rinnen durch des Busens Elfenbein,
der aus zwei Wonnehügeln gebildet war, die
kaum ein Band mocht zügeln.
Und unterhalb der Brüste
trug sie für ihrer Eheherrn Gelüste
ein Wunderkleinod süß und hold,
das aufwog weder Edelstein noch Gold.

Ihr Füßchen war so klein und zart,
das selbst der Bach, entgegen seiner Art,
bergan lief, um ihr die Zehen zu netzen
und sich deren Lieblichkeit zu letzen.
Die Blumen neigten ihrem Tritt
vor Wollust sich, und Schritt auf Schritt
verfolgte sie der Vöglein Chor
und stieg, gleich schöner singend
und bunte Flüglein schwingend,
zu ihrem Lob ins Blau empor.
Wenn sie erschien, verneigte sich der Wald
vor ihrer Huldgestalt,
der seine hundertausend Äste senkte,
beglückt, daß sie seinen Schatten lenkte.
Und wen ihr Gruß erfreute,
dem streute
ins Herz sie soviel Freudigkeit,
daß er drei Tage lang empfand kein Leid!-

Nun wurde ausgeschrieben ein Turnier,
zu dem Konrad reiten wollte,
daß seiner holden Preis und Zier
man auch im Ausland loben sollte.
Sie übten in der letzten Nacht
der Minne Spiel mit Freude und mit Schmerz
sie drückten tausendmal wohl Herz an Herz,
von Liebesbrunst entfacht,
und manches Tränlein trübte ihren Scherz,
bis das der Morgenstern erwacht,
und Konrad aus der süßen Arme Klammer
zu Frau Sieglindes Jammer
sich lösen mußte und von dannen ritt,
indem der Trennung Schmerz
ihm durch die Seele schnitt.

2.
Drei Tage wohl danach geschah`s,
daß Frau Sieglind in ihrem Garten saß
und sich der milden Maienluft
mit Vogelsang und üpp`gem Blumenduft
erfreute, als am Gitter
ein schöner Ritter
auf mut`gem Roß, den Habicht auf der Hand,
zwei Hunde an der Leine,
vorüber ritt. Doch was da Frau Sieglinde
rein fürchtete; daß sie erblinde
und schier erschreckt ihr Auge
seitwärts wandt.
Als der die Frau gewahrte,
die wunderzarte,
und so von ihrem Liebreiz war entzückt,
daß keinen Blick sie sparte;
Nein!, sie beschaute unverrückt.

Entbrannte gar zu heftig in der Minne
und stieg mit raschentschloss`nem Sinne
von seinem goldnen Fuchs,
band Roß und Hunde an das Gittertor,
setzte den Habicht flugs
hin auf den ersten Baum
und schritt; befangen wie im Traum
den Gartenweg empor
durch Taxusbusch und Buchs,
ganz Auge und ganz Ohr
für Frau Sieglinde, die ihn hold empfing
und ein paar Schritte ihm entgegen ging,
da sie ihrem Sinn empfand,
er wär vielleicht, wenn ihr auch unbekannt,
mit ihrem Gatten irgendwie verwandt.

Und da es edlen Frauen wohl gebührt,
daß man selbst Fremde gut empfange,
wenn sie ein Zufall hergeführt,
ob nun kurz nur oder lange.
Der Fremde grüßte höflich sie
bog ritterlich das Knie
und küßte ihr galant
die seidenweiche allerliebste Hand.

Drauf sprach er von gelegener Zeit
Endschuldigung, daß er hereingeschneit,
sprach auch von Müdigkeit, von Hitze,
von ihrem angenehmen Schattensitze
und, was dergleichen ritterliche Witze
noch sonst sind, angebracht in Amors Namen;
bat um Erlaubnis; etwas zu verweilen,
er müßte baldig weiter eilen;
nahm seinen Sturmhut ab und wies
ein blondes üppiges Lockenvlies,
das wie ein goldner Rahmen
umgab sein sonnenbraunes Angesicht,
durchstrahlt von blauem Augenlicht.

Das Frau Sieglind von einer der Damen
ein Gläschen kühlen Weines bringen ließ
und hold den Ritter niedersitzen hieß.
Sie trank ihm vor und reichte dann
das Glas dem fremden Reitersmann,
der es geschickt verstand,
daß er am Glaserand
genau die selbe Stelle fand,
die sie mit ihrem blühendem Mund soeben
berührt beim Trinken. Sie gewährt es lächelnd,
errötend sich die Wangen fächelnd,
und dachte: Kaum in meinem Leben
sah ich solch hübschen Mann wie ihn,
und schwerlich kann es einen hübschern geben!

Sie plauderten, und minnetrunken
war er in ihren Anblick versunken,
daß er am liebsten hätt verzieh`n,
bis Mondlicht statt Sonne schien.
Doch als der Schatten sank
aus duftgem Wolkenmuffelin,
und rote Abschiedsfunken
der Sonnen abendliches Prunken
schon in des Baches Glitzerwellen streute,
erhob sie sich von ihrer Bank,
sagte für seine Unterhaltung Dank
und gab ihm Urlaub, was ihn wenig freute.

Da sank der Ritter hin vor sie
auf beide Knie,
bekannte ihr, was ihm das Herz durchwühlte
und welche Glut er für sie fühlte.
Bat sie um eine einzige Stunde
und bot ihr dafür Habicht und Hunde.
Sie aber wies, vielleicht nicht gern,
zurück den anspruchsvollen Herrn,
woraus er aber richrig schloß,
erfahren in der Liebeskunde,
daß sie in dem Falle nicht mehr fern,
und bot ihr nicht nur Habicht an und Hunde,
nein, auch sein Roß
und selbst den Zaubergürtel, dessen Glanz
herrührte von des Morgenlans
fünfzig berühmtesten Brillanden
aus Griechenland, aus Persien und Byzanz,
die mit unauslöschbarem Feuer brannten
und in sich trugen die Wunderkraft,
wodurch jedwedem ward der Sieg verschafft,
uns wenn ihn fünfzig Männer auch berannten!

Da stutze Frau Sieglinde und sann,
ob sie nicht damit ihren lieben Mann
für ewige Zeit zum Sieger machen könnte.-
Da sagte sie dem Ritter leis`ins Ohr,
daß sie ihm für ein Stündlein Minne gönnte.
Darauf rief sie eine Magd, daß sie am Tor
die Wache hielte bis zur Abschiedsstunde,
gab ihr das Roß, den Habicht und die Hunde
sowie den Gürtel!- Säh sie sich doch vor
und hätt`den Gürtel lieber umgebunden,
so hätte sie als Siegerin sich gefunden
kraft der im Gürtel blitzenden Brillanten,
und wenn sie fünfzig Männer auch berannten.

Vielleicht hat sie daran gedacht?
Vielleicht hat sie nicht siegen wollen,
vielleicht in seinen Armen liegen wollen,
daß sie sich nur ja nicht wortbrüchig macht?
Was hilft`s, daß wir darüber grübeln wollen?

Genug! Als eben niedersank die Nacht,
und grad die Nachtigall ihr Lied begann,
fiel auch Sieglinde in Cupidos Bann,
gewährte sie dem ritterlichen Mann,
der wild schon glühte nach dem Zeitvertreibe,
das freie Liebesspiel mit ihrem süßen Leibe.