Glatz-Familiengeschichtliche Forschung e.V.


Unsere 1. Vorsitzendende Dr. Elisabeth Glatz-Noll mit Ihren Ehemann Rolf
und unser Geschäftsführer Wolfgang Glatz mit seiner Frau Margrit besuchten
über das Wochenende von 5. -7. November2010 unser Mitglied der Glatz-Familie

Sieglinde Schauer-Glatz in Innsbruck.

Am Samstagnachmittag waren wir bei Ihr zum Kaffetrinken eingeladen

Sieglinde wohnt in einem sehr schönen Einfamilienhaus mit einem wunderschönen
Blick auf die Tiroler Berge. Der romantische Garten ist liebevoll gestalltet.

An der Aussenwand hängt ein Korbgeflecht das an Sieglindes Vater erinnert, der Korbflechter war.

Drinnen ist es urgemütlich. Wir sitzen auf Stühlen mit ledernen Rückenlehenen, in dehnen ein Wappen
eingeprägt ist, das unserem Familienwappen sehr ähnelt.
An den Wänden hängen viele Gemälde von Martin, Sieglindes Sohn.

Sieglinde erzählt uns Ihre sehr bewegte Lebensgeschichte bei der sich herauststellt das
der Vater sowohl auch die Mutter schon vor der Ehe "Glatz" waren.

Hier nun die von Sieglinde geschriebene Geschichte Ihres Lebens.

Was bewirkt das Schreiben

Schreiben hilft oder zwingt zum Erinnern, es hilft das selberwählte Exil "sich
verschweigen" zu durchbrechen. Hier kann Schreiben eine Befreiung sein.

Der Prozess sich der Herkunft zu bekennen, ist schwieriger. Uns hat die
Wissenschaft schwachsinnig, asozial und arbeitsscheu deklariert.

Wie fühlt man sich da? Mindertwertig, schwach, als niemand, man möchte gar nicht
sein. Man gehört nicht zu den Jenischen und auch nicht zu den Nichtjenischen.

Ich bin ein Loch oder ins Leere gefallen, in einen Zwischenwelt oder ein
Niemansland.

Ich kann Menschen verstehen, die Anst haben, sich zu bekennen.

Litereratur oder Schreiben kann für mich ein Anker sein, wo ich mich festhalten kann.

Mein Bruder und ich wurden 1948, er mit 2 Jahren und ich mit zwei Monaten, über die
Fürsorge zu Bauern gebracht. Aus uns sollten "rechtschaffende Bürger" gemacht werden.
Dort lernte ich ohne Worte den negativen Beigeschmack meiner Herkunft kennen.
Denn immer wenn danach gefragt wurde, kam es zu einem Geflüster. Der
Gesichtsausdruck der Neugierigen war für meine Kinderaugen dementsprechend. Ich
begriff schnell, dass das nichts Gutes bedeuten konnte. Nach dem Tod meiner
Pflegemutter 1964 begann ich meine leibliche Mutter zu suchen. Ich fand sie in einem
Lager in der Reichenau in Innsbruck. Ich war von ihrer Behausung und den Umständen
sehr enttäuscht, sodass ich meine Herkunft über viele Jahre verdrängt und verschwiegen habe.
Aufgrund unserer unterschiedlichen Kulturen und Lebenseinstellungen blieb es bis zu ihrem Tod
nur ein klägliches Versuchen, das Schweigen zu brechen. Die meisten Jenischen sind nicht
bereit darüber zu reden, weil sie Angst vor weiteren Diskriminierungen haben.

Nicht Vaters Stolz
Behindert
Ein nicht lebenswertes Leben
Lehrte mich ohnen Worte


Martin kam in der 27. Schwangerschaftswoche auf die Welt. Die Geburt verlief
normal doch es folgten spätere Komplikationen. Er war spastisch auf allen vier
Gliedmaßen und hatte noch zusätzlich schwere Anfälle. Er bekam Medikamente
die ihn in der Wahrnehmung sehr beeinträchtigten. Ohne Erlaubnis der Ärzte
setzte ich die Medikamnete ab und so lebt Martin bis heute ohne Anfälle.

Schon im zweiten Lebensjahr kümmerte ich mich um eine integrative Schule.
Damals war Integration ein Fremdwort und nicht ein Schlagwort wie heute. In
ganz Österreich gab es noch keine Schule, nicht einmal ein Konzept wie so eine
Schule ausschauen oder funktioniertn sollte. Wir stellten eine Gruppe
zusammen und so wurde ich von Frau Dr. Peinsipp und Herrn Dr. Schönwiese
von Anfang an unterstützt und begleitet.
So bekam Martin seine erste integrative Volksschule, später auch eine erkämpfte
Hauptschule. Es war mit mehr Aufwand verbunden. Ich mußte ihn in der ersten
Zeit selber in die Schule transportieren und auch zu den wöchentlichen
Therapien, wie Reiten, Schwimmen, Physio- und Ergotherapie.

Nach der Hauptschule kam Martin ins Elisabethinum Axama, wo es ihm gut
gefiel. Es war eine große Erleichterung für mich. Nun mußte ich keine
transporte mehr machen, das hieß gleichzeitig auch eine Endlastung im Bezug
auf das Heben.

Vor 8 Jahren hatte ich Gebärmutterhalskrebs. Seit der Operation dürfte ich
ihn eigentlich nicht mehr selbst heben. Ich schaffe es körperlich nicht mehr ihn
in die Badewanne oder ins Auto zu setzen.
Im selben Jahr kam auch noch die Scheidung hinzu und der Vater meiner Kinder
kümmerte sich um nichts. So bin ich inzwischen alleinerziehende Mutter von zwei
Kindern. Meine Tochter studiert. Mein drittes Kind, Alexander verunglückte
1991 tödlich bei einem Flugzeugabsturz. Ein kein endender Schmerz.

Nun war Martin 20 Jahre alt und auf Grund seines Alters kam er ins
Elisabethinum nach Innsbruck. In dieser Institution funktionierte es nicht.
Martin fühlte sich nicht wohl und es wurde mir eingeredet, dass er nur Zeit
bräuche um sich einzugewöhnen.
Doch leider artete die Situation soweit aus, dass er nicht mehr schlafen konnte
und nur noch 37 kg wog. Er bekam sogar Astronautennahrung und schwere
Medikamente zum Schlafen und auch für die Psyche. Es gab eine Krisensitzung,
wo ich auch das Nicht-Wohlfühlen und Unbehagen von Martin des öfteren
schon kundtat. Ich wurde übergangen und man suchte auch keine Fehler in der
Institution selbst. Von Seiten der Institution wurde aufgrund des extremen
Schlafentzuges ein Urlaub ans Herz gelegt und in dieser Zeit sollte Martin in die
Psychatie eingewiesen werden.
Alles was ich zwanzig Jahre lang aufgebaut hatte, ist in diesem Jahr kaputtgegangen.
Er war agressiv, schrie Tag und Nacht, verlor sich in seiner eigenen Welt.
Martin blieb ab dieser Sitzung zu Hause. Inzwischen ist fast wieder ein Jahr
vergangen und ich habe wieder eine gute Gruppe gegründet, die sich um Matins
Zukunft kümmert.

Martin sollte den Alltag normal wie möglich erleben. Leider kann ich ihn
niergends mitnehmen, da ich ihn-wie schon vorher erwähnt-nicht alleine ins
Auto setzen kann. Es gibt in Graz eine Firma, die einen elektrischen Autositz-
extra für körperlich behinderte Menschen-herstellt und auch ins Auto einbaut,
wo er maschinell hinein und hinausgeschoben werden kann. Die ist allerdings mit
großen Kosten verbunden.

Martin kann nicht mehr im rollstuhlsitzend im Auto transportiert werden, weil er
Angst davor hat, da er von einem Behindertentransportunternehmen samt
Rollstuhl umgefallen ist. Dies wäre auch mit unserem jetzigen Auto gar nicht
möglich.

Gerade jetzt braucht Martin viel Liebe, Sicherheit und Abwechslung, um das in
dieser Institution vorgefallene zu vergessen. Physisch und Psyhisch hat er sich
schon wieder verbessert, doch wird es trotzdem noch lange dauern, bis
seine Anst und die damit verbundenen Aggressionen verarbeitet sind.

Biographie von Martin Schauer

geboren 14. August 1981 in Innsbruck
je 4 Jahre Integrative/r Kindergarten, Volks und
Hauptschule in Innsbruck
4 Ausbildungsjahre im Elisabethinum Axams, da
Arbeitstrainingslehrgang in Malerei
1 Jahr Malerei- und Grafiklehre Integrative Kunst
Innsbruck
Seit April 2004 freischaffender Künstler. Autodidakt mit
Ünterstützung von Malassisteten.
Verwendete Techniken: Acryl, Aquarell, Buntstift,
Mischtechniken auf Papier bzw. Leinwand

Homepage von Martin:

www.mieming-plus.at/kultur/Kunst/martin-schauer-querschnitt-2004-2009.php

www.martinschauer.at

Biographie von Sieglinde Schauer-Glatz

1948 in Haiming, Tirol, als Kind jenischer Eltern geboren, Mutter von
3 Kindern, lebt in Innsbruck.
Im Auftrag der Fürsorge kam sie im Alter von 2 Monaten zu Pflegeeltern,
die im dritten Lebensjahr gewechselt wurden. Nach dem Besuch der
Pflichtschule, 2 Jahre Landwirtschaftliche Berufsschule. 1 Jahr Ausbildung
als Stationsgehilfin im Landeskrankenhaus Innsbruck.
15 Jahre im Sozialberuf, Alten- und Familienhilfe tätig.
14 Jahre Theaterdarstellerin, davon 11 Jahre im Volkstheater.
10 Jahre Vorkämpferin und Mitbegründerin der integrativen Volks- und
Haupschule für Behinderte und nichtbehinderte in Österreich.

Schreibt als Schriftstellerin Lyrik, Mundartgedichte,Theaterstücke und Märchen

Aufführungen:

2001 Theaterstück "Fremd in der eigenen Heimat", im Schloss Landeck
2002 Theaterstück "Fremd in der eigenen Heimat", Neumarkt am Wallersee, Salzburg

Veröffentlichungen:

Text für CD "Summertime" Do-Re-Mi Kindergartenstudio der
Musikschule mittleres Oberinntal

1989 Beitrag im Buch "Blinder Fleck und rosarote Brille"; Herausgeber:
Birgit Meister-Steiner,
Volker Schönwiese, Nikolaus Thaler, Ilsedore Wieser

2001 Lyrik und Märchen im Buch "Jenische Reminiszensen" Herausgeber:
Romedius Mungenast

2004 Beitrag im Weissbuch "ungehindert-behindert"

Am Hohen Frauentag 2010 in Innsbruck
wurde Sieglinde mit der "Verdienstmedaille des Landes Tirol"
für die Verdienste als Mitbegründerin der Integrativen
Volks- und Hauptschule für Behinderte und Nichtbehinderte
in Österreich ausgezeichet.

Sieglinde, wir möchten uns an dieser Stelle für die überaus herzliche Gastfreundschaft die wir bei Dir erfahren durften recht herzlich bedanken.